Held der Geschichte ist ein „all american boy“, ein irgendwo in der Nähe von Toledo im US-amerikanischen Nirgendwo auf einer Farm lebender Teenager namens Johnny Rayburn, der eines Tages eine unheimliche Begegnung mit einer alternativen Version seiner selbst hat. Der andere Johnny, nennen wir ihn Johnny Prime, erklärt, aus einem parallelen Amerika zu stammen und Dank einer technischen Vorrichtung in andere Universen reisen zu können. Der ungläubige Johnny Rayburn lässt sich überreden, die wunderbare Maschine einmal auszuprobieren – und entdeckt, dass er nicht mehr zurück in sein angestammtes Universum kann: die Maschine funktioniert lediglich in „eine Richtung“.
Von hier an entwickelt Melko seinen Plot in zwei parallel verlaufende Richtungen. Da ist einmal Prime, der skrupellos (und zum zigsten Male) die große Liebe des Original-Johnny verführt und plant, mit Hilfe aus anderen Universen stammender Innovationen wie Rubiks Zauberwürfel, der in diesem Universum noch völlig unbekannt zu sein scheint, ein Vermögen zu machen.
Im Verlauf des anderen Handlungsstrangs muss sich Rayburn die Funktionsweise der ihm „anvertrauten“ Maschine verstehen lernen und sich nach den ehrwürdigen Prinzipien von Versuch und Irrtum in verschiedensten und einander durchaus nicht immer ähnlichen Universen durchschlagen.
Während Prime aber trotz scheinbar bester Voraussetzungen und eines völligen Mangels an moralisch begründeten Skrupeln bei der Verwirklichung seiner Pläne auf immer größere Probleme stößt, gelingt es Rayburn im Laufe der Zeit sich immer umfassendere Physikkenntnisse anzueignen, um Zug um Zug die Funktionsweise des technologisch fortgeschrittenen Dimensionswechslers zu entschlüsseln. (Spätestens angesichts der mangelnden Plausibilität dieses Regieeinfalls sollte noch dem bestgelaunten Genrefreund hier ie Hutschnur platzen.) Zu allem Überfluss „erfindet“ dieser Johnny zur Finanzierung seiner Forschungen auch noch den im aktuellen Universum unbekannten Flipper neu und erregt so das gefährliche Interesse einer Gruppe konkurrierender Dimensionswechsler, die offensichtlich von den noch finsteren Herrschern ihres Ausgangsuniversums in dieses Universum verbannt worden sind. Am Ende muss sich Johnny Rayburn mit Johnny Prime verbünden …
Melkos Roman basiert dem Vernehmen nach auf Motiven der mir persönlich unbe-kannten, 1995 bis 2000 von den Universal Studios produzierten SF-Serie „Sliders“. Der Roman wäre in Ordnung gegangen, wenn sein Autor sich auf die Frage nach dem Platz seiner Protagonisten im Universum konzentriert hätte. Mit der Hinzufügung weiterer Dimensionswechsler sowie deren gewiß noch zu entdeckenden Herkunftsplaneten bereitet Melko zwar ei ner vermutlich unüberschaubaren Zahl von Fortsetzungen das Feld, Melko aber seinen roten Faden aus den Augen. Sowohl Prime als klassischer Schurke als auch Rayburn als ebenso klassischer Naivling wären denkbar geeignete Kandidaten für Entwicklungs- und Reifungsprozesse. Indem der Autor jedoch im Verlauf des Buches immer stärker vordergründigen Actioneffekten den Vorzug gibt, verschenkt er wesentliche Potenziale seines Romans. Interessant wäre auch gewesen zu erfahren, warum sich so viele Universen ähnlich sind bzw. was ist in den massiv abweichenden so anders gelaufen ist…
Das bislang Gelesene hält mein Interesse an absehbaren Fortsetzungen von „Die Mauern des Universums“ (der Originaltitel ist übrigens genauso pompös geraten) jedenfalls in überschaubaren Grenzen.
Peter Herfurth-Jesse
PAUL MELKO
Die Mauern des Universums
Science Fiction Roman
The Walls of the Universe (2009). Deutsche Erstausgabe. München 2010. Heyne TB 52691, ISBN 3-453-52691-4, Aus dem Amerikanischen von Ulrich Thiele. Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design. 511 Seiten, 8,95 Euro